Das Feldflora-Reservat in Schlangenbad-Hausen: 
Baustein einer multifunktionalen Landwirtschaft

 

Wolfgang Ehmke

Gliederung

Konzeption und Ziele des FFR

Lage und naturräumliche Gegebenheiten

Bewirtschaftung

Kulturen, Herkünfte, Sorten

Naturschutzfachliche Auswertungen und Artenhilfsprogramm

Öffentlichkeitsarbeit

Literatur

Anl.: Tab. 1: Liste der gefährdeten Ackerwildkräuter im Rheingau und Westtaunus – Stand 2001

Tab. 2: Gesamtartenliste des Feldflora-Reservates Hausen – Stand 2001

Abb. 1: Parzellenplan des Feldflora-Reservates Hausen

 

 

 

Konzeption und Ziele des Feldflora-Reservates

In Mitteleuropa hat die frühere, traditionelle Land-wirtschaft vor dem Beginn des Industriezeitalters eine vielgestaltige Landschaft geschaffen, die – je nach den ökologischen Gegebenheiten – mit zahl-reichen Pflanzen- und Tierarten ausgestattet war.

Nach der Industrialisierung und stark zunehmend mit dem „Wirtschaftswunder" nach dem 2. Welt-krieg haben sich tiefgreifende Änderungen in der Landnutzung und damit auch in der Artenaus-stattung der Kulturlandschaft – so auch im Taunus – vollzogen. Die heutige „normale" Form des Intensiv-Ackerbaues ist somit die Hauptursache für den Artenschwund der Ackerwildkrautflora. Eine zukünftige Regeneration dieses nicht unerheblichen Anteils unserer heimischen Vegetation erscheint nur möglich, wenn an manchen Standorten noch

Reliktgesellschaften erhalten bleiben, die sich unter veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (Extensivierung) dann eventuell wieder ausbreiten könnten. Bereits ausgerottete oder verschollene Ackerwildkräuter (Segetalpflanzen) können nur durch Zuwanderung oder gezielte Ausbringung wieder Teil unserer Flora werden. Dies setzt aber ökologisch geeignete Zuwanderungswege (Biotop-verbundsysteme) bzw. extensive Nutzungsverhält-nisse voraus. Auf grossen Flächen sind diese aber nicht gegeben – auch nicht im Mittelgebirge des Taunus trotz relativ armer Böden und rauem Klima. Viele Ackerblumen, die unsere Eltern und Grosseltern noch kannten, wie z.B. Kornrade, Kornblume, Feldrittersporn und Frauenspiegel, sind im Taunus ausgestorben bzw. höchst selten geworden und stehen auf den Roten Listen

(s. Tab. 1). Ähnlich ergeht es der Tierwelt.

Die prekäre Situation der Ackerwildkräuter verschärft sich noch durch ihren relativ geringen Stellenwert in Botanik und Naturschutz. Sie müssen als „Stiefkinder des Artenschutzes" angesehen werden. Andere Pflanzengesellschaften wie die der Wälder, der Trocken- und Magerrasen – insbes. bei orchideenreichen Beständen – finden bei privaten wie amtlichen Naturschützer/innen wesentlich mehr Beachtung als die Vegetation der Äcker.

Dies ist insofern erstaunlich, als nach unseren Fest-stellungen die Segetalflora – besonders ihre auf-fälligen Vertreterinnen wie Mohn, Kornblume, Rittersporn, Kornrade usw. – in der Bevölkerung einen hohen Sympathiewert geniesst. Ihr Vorkommen wird nicht nur als Bereicherung des Landschaftsbildes, sondern auch als Symbol für gesunde Äcker und gesunde Ernährung betrachtet.

Hier schlummern also noch ungenutzte Potentiale für den Ausgleich zwischen Naturschutz und Land-wirtschaft!

Bei der floristischen Kartierung des Taunus durch die Botanische AG Taunus (EHMKE 2001a) wurde in der Gemarkung Hausen ein auffälliger Arten-reichtum auf den Äckern festgestellt. An einem Fundort grosser Mengen der Saat-Wucherblume (Chrysanthemum segetum) erklärte sich der Landwirt bereit zur Extensivierung. Auf Vorschlag des Verfassers richtete daraufhin die Gemeinde Schlangenbad dort ein Feldflora-Reservat ein (Ortsteil Hausen vor der Höhe). Mit dem FFR werden mehrere Ziele verfolgt:

- Erhaltung und Wiedereinführung der heimischen

Ackerwildkrautflora im Taunus durch extensive

Nutzung und Anbau alter Kultursorten

- Nachahmung der früheren landwirtschaftlichen

Betriebsweise (z.B. Dreifelderwirtschaft) als

Beitrag zur Kenntnis der Landschafts- und

Siedlungsgeschichte

- Information der Öffentlichkeit durch Hinweis-

tafeln, Broschüren, Führungen, Tagungen usw.

- somit Schaffung eines – wenn auch bescheide-

nen – Beitrages zur Förderung des naturbezo-

genen Tourismus.

 

Hinter diesen Zielen steckt auch eine Philosophie. Der Artenschutz für die bedrohten Ackerpflanzen soll nicht nur puristisch-wissenschaftlich angegangen werden (wobei die Methoden natür-lich durchaus wissenschaftlich sind), sondern es soll für alle Menschen anschaulich und verständ-lich gezeigt werden, aus welcher Vergangenheit der Ernährungsgeschichte wir kommen, und dass unsere heutige Situation in Bezug auf Ernährung oder Siedlung im ländlichen Raum eine Folge der Entscheidungen und Entwicklungen in der Vergangenheit ist. Das FFR will die Menschen nachdenklich machen und darauf hindeuten, dass wir die Zukunft in diesen Bereichen durchaus in der Hand haben: wollen wir den maximalen Ertrag – mit nur wenigen übrig gebliebenen Landwirten, hohem Energieaufwand und fast ohne Wildkräuter – oder einen Mittelweg zwischen einer extensiven und intensiven Landwirtschaft, die neben dem Ertrag auch vielfältige ökologische Funktionen erfüllt und keine Entscheidungen zukünftiger Generationen verbaut? Hier will das FFR zeigen, dass beim Verzicht auf maximalen Ertrag noch ein ausreichendes Einkommen bei hervorragenden Naturschutzerfolgen erzielt werden kann. Und es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass die Gesellschaft dem Landwirt diese ökologische Leistung (die sozialen Leistungen sind hier gar nicht erwähnt) auch vergütet – quasi als Gegen-leistung. Das Wort „Subvention" wäre in diesem Fall wirklich fehl am Platze.

 

Lage und naturräumliche Gegebenheiten

Das FFR liegt in der Gemeinde Schlangenbad nord-westlich Wiesbaden, genauer im Ortsteil Hausen vor der Höhe. Eine Beziehung zum Tourismus ergibt sich aus den Erholungsprädikaten: Schlan-genbad ist hessisches Staatsbad mit zahlreichen Kurgästen; Hausen ist seit vielen Jahren anerkann-ter Luftkurort. Der Ortsteil liegt in einer Höhe von knapp 500 m im Hochtaunus, der sich durch sein kühles, aber sonnenscheinreiches Klima auszeich-net. Die Böden sind durchweg sauer und wenig ertragreich, so dass in früheren Zeiten der Taunus zu den ärmsten Gegenden in Westdeutschland zählte.

Das FFR ist ca. 150 m lang und 20 m breit. Es liegt am Rand einer Hecke bzw. eines Grasweges. Dies erlaubt den möglichen Eintrag von Wildkraut-Diasporen in die Ackerfläche, was bereits fest-gestellt wurde.

 

Bewirtschaftung

Das Feld wurde in die Förderung nach dem Hessi-schen Landschaftspflegeprogramm (HELP) auf-genommen; der Landwirt erhält eine Vergütung von

DM 800.- pro Hektar und Jahr. Dafür muss er auf den Herbizideinsatz und auf das Düngen völlig ver-zichten und bestimmte Kulturen wie Mais und Raps

aus der Fruchtfolge nehmen. Die übliche Frucht-folge ist hier Winterroggen – Sommergerste. Ausserdem wird der Landwirt dazu angehalten, die Stoppel im Herbst lange liegen zu lassen, damit sich die Wildkräuter mit später Reifung noch aus-samen können.

Die Frage des richtigen Saatzeitpunktes sowie der Saatmenge muss im Verlauf der Untersuchungen geklärt werden. Davon hängt die Bestandesdichte und damit die Standortgunst für die Wildkräuter ab. Es ist erst zu beobachten, ob allein die fehlende Düngung schon für eine angemessene Auflichtung der Kulturpflanzenbestände sorgt.

Auch die Ernteverfahren bedürfen noch der Erprobung – sowohl was den Zeitpunkt als auch was die Methode anbelangt. Bei der ersten Ernte haben wir Roggen und Dinkel auf kleiner Fläche nach traditioneller Art mit dem „Kornreff" gemäht. Dies geschah vor allem aus Demonstrations-gründen. Dazu gehörte auch das Aufstellen von „Kornpuppen" oder „Korngarben". Den Rest der Druschfrüchte besorgte dann der Mähdrescher. Die anderen Früchte werden von Hand geerntet. Das geht natürlich nur in einem FFR mit kleiner Fläche.

Um bestimmte seltene Pflanzengesellschaften zu fördern, soll auf einigen Parzellen stets dieselbe Kulturart angebaut und für die Aussaat das selbst-gewonnene Saatgut der vorangegangenen Ernte verwendet werden. Dies ermöglicht es den Samen der Wildkräuter, sich langsam zu vermehren und die entsprechende Gesellschaft aufzubauen. Eine weitere Voraussetzung dafür – wie für das ganze Projekt – ist die Sicherung der Kontinuität der Bewirtschaftung und der Förderung für den Land-wirt. Hiermit steht und fällt das ganze Vorhaben.

 

Kulturen, Herkünfte, Sorten

Die Parzelleneinteilung des FFR (s. Abb. 1) ist noch nicht endgültig. Bisher liegen sieben Par-zellen von 10 x 10 m vor. Ausdehnungsmög-lichkeiten sind vorhanden.

Folgende Kulturen und – soweit bekannt – Sorten sind für den Anbau 2002 auf den Parzellen vorgesehen:

1: Sommergerste Sorte „Aura"

2: Brache (Dreifelderwirtschaft)

3: unterteilt in

- Buchweizen (Fa. Samen-Brönner,

Aschaffenburg)

- Schlafmohn, morphinarme Sorte „Przemko"

(Dt. Saatveredlung, Lippstadt)

- Hanf, THC-arme Sorte „Bialobrzeskie"

(Gatersleben)

- Ackerbohne (über den VEN?), sonst Linse

4: unterteilt in

- Dinkel „Schwabenkorn" (Fa. Samen-Brönner, Aschaffenburg), Stammsaatgut

aus Zuchtgarten

- Emmer aus Linz/A, Sorte unbekannt

- Einkorn „Haller" (von Dr. Müller, Neu-

Darchau)

- Färberwaid (Eigenzucht aus Wein-

bergen am Mittelrhein)

5: Winterroggen Sorte "Dango"

6: Lein (Fa. Samen-Brönner, Aschaffenburg)

7: Kolben- und Rispenhirse (noch kein Lieferant)

 

Naturschutzfachliche Auswertungen

Die Arbeiten am FFR sind eingebettet in das Projekt „Artenhilfsprogramm Ackerwildkräuter

im Rheingau und Westtaunus", das vom Rheingau-Taunus-Kreis in Zusammenarbeit mit dem Land-schaftspflegeverband Rheingau-Taunus, der Botani-schen AG Taunus und dem Nassauischen Verein für Naturkunde Wiesbaden gestartet wurde (vgl.

EHMKE 2001b). Dazu gehören derzeit etwa 30 Dauerbeobachtungsflächen auf Ackerschonstreifen und in Weinbergen, deren Bewirtschafter zum Teil eine Extensivierungsvergütung erhalten.

Das FFR Hausen wird natürlich besonders intensiv betreut. Die einzelnen Parzellen müssen hinsicht-lich des Artenbestandes und der Pflanzengesell-schaften mehrfach jährlich begutachtet werden. Im Einzelnen werden folgende Auswertungen vorgenommen:

- Veränderungen der Artenzahlen

- Veränderungen von Häufigkeitswerten in den verschiedenen Pflanzengesellschaften

- Veränderungen der Deckungsgrade

- Veränderungen der Zeigerwerte nach

ELLENBERG 1992

- Entwicklung von „Problemunkräutern"

- Entwicklung der Brachenvegetation im Bereich Dreifelderwirtschaft

- Entwicklung früherer Kulturarten wie Lein,

Einkorn, Emmer, Buchweizen, Ackerbohne.

Bis jetzt sind im FFR 74 Wildkrautsippen gefunden worden (s. Tab. 2). Davon gelten fünf Sippen als gefährdet im Sinne der diversen Roten Listen.

 

Öffentlichkeitsarbeit

Mittels Informationstafeln an den einzelnen Parzellen wird auf Ziele und Inhalte des FFR ver-wiesen. Ein informatives Faltblatt in grosser Auflage liegt bei verschiedenen Stellen aus und wird bei Veranstaltungen und Führungen verteilt.

Der Druck einer umfangreicheren Bilderbroschüre ist nach Vorliegen weiterer Ergebnisse vorgesehen.

Im Sommerhalbjahr werden regelmässig Führungen zum FFR durch sachkundige Personen angeboten.

Diese wurden bisher sehr gut angenommen, so dass das FFR bereits von mehreren Hundert Interes-sierten aufgesucht wurde. Die Idee des FFR fand in dem Dorf Hausen so breite Zustimmung, dass sich im letzten Jahr ein Kulturlandschaftsverein gründete, der weitere landschaftsbezogene Aktivi-täten wie die Einrichtung eines Lehrpfades, eines Schaugartens und einer Wetterstation (Luftkurort!)

plant.

 

Literatur

EHMKE, W. 2001a: Stand der floristischen

Erfassung des Taunus. – Ber.Arb.Krs.Heim.

Orchid. 18(1): 220-225.

EHMKE, W. 2001b: Das Artenhilfsprogramm für

Ackerwildkräuter im Rheingau und Westtaunus.

Teil 1: Grundlagen. – Jb.Nass.Ver.f.Naturk. 122

(im Druck).

ELLENBERG, H. et al. 1992 : Zeigerwerte der

Gefässpflanzen , 3. Aufl. – Scripta Geobotanica

XVIII: 9-166. Erich Goltze KG, Göttingen.

 

2001 Dr.Wolfgang Ehmke >